Erlebnisbericht zum Rückaustausch 2013

Erlebnisbericht zum Rückaustausch 2013 in Deutschland (von Ludwig Schreiter)

Hamburg

Es war schon ein besonderer Moment, als unser lange vorbereiteter Rückaustausch nun endlich mit dem Wiedertreffen der Reiseteilnehmer am Flughafen Berlin – Schönefeld begann. Nach kurzem Zwischenstopp im Hostel ging es bei wunderbarem Wetter in einen nahegelegenen Park, um uns dort ein wenig von der anstrengenden Anreise zu erholen und die ersten Neuigkeiten auszutauschen. Schließlich hatten wir unsere sibirischen Freunde 1 Jahr lang nicht gesehen. Vielmehr geschah dann auch nicht mehr an diesem Tag, die Hälfte unserer Gruppe hatte ja tausende Kilometer Reiseweg hinter sich und es schon am darauffolgenden Tag sollte es schon weiter nach Hamburg gehen.

Vielleicht war es nicht die beste Idee, direkt am 2. Tag wieder die Koffer in die Hand zu nehmen und weiterzuziehen, aber es war doch auch unser Ziel, unseren Gästen möglichst viel von Deutschland zu zeigen. So stand Hamburg, als kleine Station zwischendurch, mit auf dem Programm. Unser Hostel in Hamburg lag direkt am Hauptbahnhof und bot die Gelegenheit zu Gesprächen, in der wir unter anderem über unsere Erwartungen an diese Reise redeten und uns besser kennenlernen konnten. Das Abendessen in Form eines typisch deutschen Dürüms stieß dagegen auf große Skepsis bei unseren Gästen. So ist es nicht verwunderlich, dass dieser am Uferrand (Elbe) kurzerhand zum Schwanenfutter umfunktioniert wurde. Was einerseits ein komisches Bild bot, andererseits für alle Beteiligten sein positives hatte.
Taube
Die Schwäne konnten sich endlich mal wieder so richtig satt fressen, unsere Gäste hatten wirklich interessante Urlaubsfotos zu schießen, und die deutschen Teilnehmer hatten etwas über die vielseitige Ernährung heimischer Wasservögel gelernt.

Der Montag war der erste Tag an dem nicht herumgefahren werden sollte. Heute stand eine Stadtbesichtigung auf dem Plan, bei der wir uns größtenteils zu Fuß bewegten. Vorbei an etlichen Kirchen, der Elb- Philharmonie, der Speicherstadt und durch den alten Elbtunnel ging es auf der umfangreichen Hamburg – Tour durch die Innenstadt. Die selbstgestaltete Tour bot dabei Gelegenheit sich mit den Eigenheiten von Tourismusangeboten in Deutschland vertraut zu machen, was sich später noch als nützlich erweisen sollte. Wer noch Lust und Energie hatte, konnte dann am Abend dem Schanzenviertel einen Besuch abstatten und ein wenig in die alternative Szene Hamburg´s eintauchen.

Hallig Hooge

augenbinde
Die erste längere Station auf unsere Reise und ein willkommener Kontrast zum Großstadtgetümmel. Mit dem Zug und der Fähre ging es in den hohen Norden Deutschlands in Richtung Hooge. Der erste Morgen am neuen Ort begann mit Bewegung, was sich für die weiteren Tage als schöne Routine entwickelte, Müdigkeit vertrieb und für angenehme Stimmung sorgte. Nun galt es zunächst die Umgebung zu erkundigen, indem wir von Warft zu Warft (Warften sind die bebauten und bewohnten ‚Hügelchen‘ auf der Hallig, welche selbst bei Sturmflut nicht überschwemmt werden) liefen. Tante-Emma-Laden, Schule, Kirche, Bauernhöfe – es ist hier alles vorhanden, was man zum Leben braucht. Besonders der Fahrradverleih, gleich neben unserer Unterkunft, entpuppte sich als besonders wichtig, um sich schnell zwischen den Warften hin und her bewegen zu können. Autos gab es bloß eine Handvoll auf der Hallig, dafür aber ein paar mehr Pferdekutschen zum Chauffieren der Touristen.

Die nächsten Tage boten ein vielfältiges und spannendes Programm, was uns die Lebensweise der Halligbewohner näher bringen sollte und zum Austausch zwischen den Beteiligten anregte. Dies beinhaltete von einer Japsandwanderung und Wattexkursion über diverse Workshops wie beispielsweise Bernsteinschleifen oder Geocaching bis hin zu einem traditionellen Tanzabend mit dem ansässigen Trachtenverein die unterschiedlichsten Aktivitäten. Highlight war aber sicherlich der gemeinsam gestaltete ‚Sibirische Abend‘ im Kultursaal genannt Hallig Hus. Unter dem Titel ‚Jugorische Märchen‘ gab es ein buntes Programm aus Tanz, Gesang und Informationen zum Austauschprojekt sowie zu den Partnerregionen in Russland. Für das leibliche Wohl sorgten dabei selbstgemachte russische Blini´s. Die Zuschauer bestanden aus Einheimischen sowie Besuchern der Hallig und zeigten sich sehr interessiert und begeistert.

fahrraeder
Zum Abschluss unseres Aufenthalts auf Hooge organisierten wir ein Abend am Lagerfeuer, wozu auch der Lehrer der ansässigen einzigen Schule eingeladen wurde. Diesen hatten wir zuvor besucht und staunten nicht schlecht über die jahrgangsgemischte Klasse aus 4 Schülern im Alter zw. 7 und 13. Etwas schwieriger war dagegen die Beschaffung von Brennholz. Letztlich brauchte es fast einen ganzen Tag um genügend Treibholz für ein anständiges Feuer zu sammeln. Aber der schöne Abend mit Lagerfeuermusik auf Platt und Stockbrot entschädigte für die mühsame Arbeit.

Berlin

Der Abschied von Hooge viel uns allen schwer, zumal eine langwierige Reise nach Berlin auf dem Programm stand. Trotz später Ankunft und ziemlicher Erschöpfung wagten wir noch einen kurzen Spaziergang durch das nächtliche Berlin. Anschließend gab es noch eine freudige Überraschung. Einige Nachzügler hatten in Zwischenzeit einen köstlichen russischen Borszsch zubereitet, sodass die Müdigkeit schnell entwich und es noch eine lange Nacht bei Tee und Gesprächen wurde.

Am nächsten Tag stand erst einmal die intensive Erkundung der Hauptstadt auf dem Programm Vom Brandenburger Tor ging es zu den Hackeschen Höfen und anschließend folgte der Besuch des Bundestags (inkl. Führung auf Russisch). Besonderen Eindruck hinterließen hier die russischen Schriftzüge, welche nach der Eroberung 1945 von sowjetischen Soldaten an den Mauern hinterlassen und bis heute erhalten wurden. Die kommenden Tage standen dagegen ganz unter dem Motto ‚Wer bin ich?‘ und begannen mit einem Workshop (Methode: Worldcafe) zum Thema Identitäten und den darin enthaltenen unterschiedlichen Facetten und Perspektiven. Dazu wurden in kleinen Gruppen mithilfe von Kreativmethoden Plakate gestaltet, kleine Spielszenen eingeübt und am Ende die Ergebnisse der Gesamtgruppe vorgestellt.

stein
Auch dienten diese Ausarbeitungen der Vorbereitung auf das Kommende. So stand insbesondere die Verbindung zwischen Deutschland und Russland im Mittelpunkt und wurde aus unterschiedlicher Perspektive betrachtet. Dazu besuchten wir unter anderem das deutsch-russische Museum, Checkpoint Charlie sowie Eastside-Gallery und auch das Holocaust-Mahnmal. Abgeschlossen wurde diese für alle Teilnehmer_innen aufwühlende sowie sehr bewegende Thematik mit dem Film ‚Das Leben ist schön‘ und einer offenen Gesprächsrunde im großen Tiergarten. Den positiven und emotionalen Abschluss bildete dabei das gemeinsame errichten von lebende ‚Skulpturen‘ durch die Teilnehmer_innen.
Fast selbstverständlich dagegen war, dass noch einmal ein Sibirischer Abend auf dem Plan stand. Im kleinen Dörfchen „Blumberg“ wollten unsere Gäste noch einmal ihre Region und Traditionen vorstellen sowie mit uns gemeinsam für den JugendaustP1100472ausch werben. Der Altersdurchschnitt der Zuschauer im Gemeindehaus lag allerdings außerhalb des geforderten Rahmens, sodass es uns nicht gelang, neue Mitglieder für das Projekt zu gewinnen. Dennoch war die Stimmung und Gastfreundschaft der Blumberger prächtig und Gesang, Tanz, Theater sowie kleine Knobelspiele sorgten bei allen Beteiligten für Begeisterung. Am darauffolgenden Tag wurden wir noch spontan zu ‚Radio JoJo‘ eingeladen, einem Berliner Kinderradiosender, welcher sich für die länderübergreifende Verständigung einsetzt. Hier gibt es dazu einen Link mit allen Infos und einem Interview.

Vor der Abreise stand noch der Besuch des Kanzleramtes auf dem Programm. Wir nutzten den Tag der offenen Tür und sahen uns genau um, im gut bewachten Gebäudekomplex. Zu schade, dass „Mutti“ selbst nicht zu Hause zu sein schien. Dafür konnte man allerdings ihren Dienstwagen und den Helikopter besichtigen. Anschließend hieß es nun endgültig Abschiednehmen. Es war schon ein etwas wehmütiger Augenblick, als wir uns von unseren Freunden am Flughafen verabschieden mussten. Ja, Freunde waren wir jetzt alle. Wir teilten eine wunderbare Zeit in den beiden Wochen im Sommer 2013.

zeichnung